Allgemein, Olivenöl

Olivenbaum-Schnitt zu Ostern, Nachschub für Olivenblätter-Tee – und erste amazon-Olivenbuch-Rezension

Über Ostern sind wir wieder in unserem Domizil in den Marken und genießen die frühlingshaften Temperaturen mit rosa-weiß aufsprießender Obstbaumblüte, besonders in unserem Val d`Aso, dem Aprikosen-Pfirsich-Tal. Die leckere Pfirsich-Marmelade daraus beschert uns zur Zeit auf maritozzi (von unseren Nachbarn selbst gebackene weiche, römische Rosinenbrötchen) vollfruchtige Gaumenerlebnisse zum Frühstück. Dazu spremuta d`arancia e limone (= Saft von unseren Orangen und Zitronen) und später frisch gemahlener caffè aus Bohnen von Chicco d`oro (Goldbohne) aus San Benedetto del Tronto – herrlich!

Unser Olivenhain - mit frisch beschnittenen Bäumen
Unser Olivenhain – mit frisch beschnittenen Bäumen

Unsere Olivenbäume sind gerade aus dem Winterschlaf erwacht und brauchen ihre „Frühlingsfrisur“. Baumschnitt-Meister Tiziano, dem ich in meinem Buch „Oliven-Eine Liebeserklärung an den Süden“ ein ganzes Kapitel gewidmet habe, kam zusammen mit seinem Kollegen-Schüler Raffaele. Die beiden haben unseren Bäumen ein neues Aussehen verpasst: Unzählige Äste wurden abgeschnitten, um aria e luce, Luft und Licht an die „richtigen“ Äste zu lassen. „Richtig“ bedeutet in diesem Fall, dass in diesen gen Himmel strebenden „Antennen“ die Lymphe, la linfa, möglichst kräftig fließen soll, um schöne Früchte hervorzubringen.

Tiziano, links, begutachtet mit Michael unsere Nachwuchs-Olivenbäume.
Tiziano, links, begutachtet mit Michael unsere Nachwuchs-Olivenbäume.

Auch unseren Nachwuchs-Hain hat Tiziano begutachtet. Die Mini-Bäumchen haben ihn zu philosophischen Exkursen verleitet: Äste, die ich als „toll gewachsen“ bezeichnete, wurden radikal abgeschnitten, weil zu „präpotent“; ein anderes Bäumchen, das seine Äste nach links und rechts ausgestreckt hatte, bekam den Spitznamen cappuccino senza schiuma, übersetzt: Cappuccino ohne Schaum. Hintergrund: Wir sprachen u. a. über die neuen Kaffee-Spleens, die auch die Italiener ergreifen. Nicht ganz so schlimm wie in den USA (small, medium large, extra-large, mit Soja- oder Reismilch, mit laktosefreier Milch oder mit Vanillegeschmack), aber doch. Tizianos jüngstes Erlebnis diesbezüglich, war jemand, der in einer Bar eben diesen schaumlosen Cappuccino bestellte. Was für ein Unsinn: Soll er doch caffè latte bestellen, eben Kaffee mit Milch. Übersetzt auf das Bäumchen: Wieso wächst der so unsinnig in die Gegend, soll er sich doch einfach nach oben orientieren. Tiziano hat mit einem Profi-Radikalschnitt nun dafür gesorgt….

Anstrengende Äste-Tragearbeit
Anstrengende Äste-Tragearbeit

Nach diesen darwinistischen Anwandlungen oblag es meinem Mann Michael und mir, die abgeschnittenen Äste von unseren 35 großen Bäumen einzusammeln und in unserer capanna, der offenen Hütte, die sonst als Carport dient, zu stapeln. Denn anders als üblich verbrennen wir als Olio Tè-Produzenten die Äste nicht, sondern lassen sie trocknen für unseren Olivenblätter-Tee. Michael taufte die capanna ächzend in tearoom um! Tatsächlich macht sich niemand eine Vorstellung, was für ein ungewohntes Fitnesstraining es ist, stapelweise Olivenbaum-Äste den Hang hoch- bzw. runterzuschleppen. Da unsere Haus-Mitbesitzer-Familie in diesen Osterferien aufgrund nach Abwechslung verlangender Kinder auf Mallorca Urlaub macht, mussten wir diese Plackerei zu zweit bewältigen.

Unsere Carport-Hütte wird zum "tearoom" umfunktioniert.
Unsere Carport-Hütte wird zum „tearoom“ umfunktioniert.

Flugs wurde die untere leerstehende Wohnung ebenfalls in ein Olivenblätterlager verwandelt und zahlreiche Äste schmücken Michaels Arbeitsstudio. In seinem Schlafzimmer wollte er sie nicht haben! Verstehe ich gar nicht, schließlich lagern schon unsere Zitronen für die spremuta und den 30-prozenitgen Limoncello da. Was für ein Aroma-Schlaf! Jeden Abend sitze ich nun auf der Couch und zupfe Blätter, um sie anschließend bei 50 Grad auf dem Backblech im Ofen zu trocknen. Denn wir haben schon etliche Olio Tè-Vorbestellungen, so dass wir nicht bis zu unserem nächsten Besuch im Juni warten können, bis die Blätter auf natürliche Weise getrocknet sind. Über Pfingsten im Mai werden wir nämlich nicht in Italien, sondern in China sein. Auch wir brauchen ab und zu Abwechslung… Glücklicherweise wird im Juni meine Mama aus Berlin wieder hier sein. Sie freut sich schon auf das Blätterzupfen, hat sie mir per Skype versichert und dabei ein ergebenes Gesicht gemacht.

Die getrockneten Olivenblätter müssen nun nur noch gehäckselt und abgepackt werden.
Die getrockneten Olivenblätter müssen nun nur noch gehäckselt und abgepackt werden.

Zum Abschluss noch etwas aus der Oliven-Sachkunde: die Peroxidzahl. Sie kommt nicht in meinem Oliven-Buch vor, das zwar aus informativen, aber vorwiegend unterhaltsamen Geschichten rund um den Olivenbaum und gutes Olivenöl besteht. Danke an dieser Stelle dem lieben Leser für die erste amazon-Rezension! Mein Apotheker in Erding fragte mich nach dieser Kennzahl. Er ist nämlich erklärter Olivenöl-Liebhaber und will bei seinen Italien-Urlauben sicher sein, nicht betrogen zu werden. Also hat er ein kleines Chemie-Baukästchen dabei, lässt sich eine Olivenöl-Probe geben und testet den Peroxidwert. Der ist ein Indikator für das Alter des Öls. Gutes, frisches Öl hat einen Wert von 5,6, allerhöchstens 10. Ich schaute etwas skeptisch, als er mir das erzählte, denn nicht jeder wird Lust haben, mit einem Taschen-Labor zu den Olivenbauern zu gehen. Als ich unserem Nachbarn Toni davon berichtete, der uns wieder schwarze Kichererbsen und sein scharfes Peperoncino-Olivenöl vorbei brachte (s. Buch-Kapitel „Antonios Vorliebe fürs Scharfe“), sagte er schlicht: Ma hai un naso! Aber Du hast doch eine Nase! Schön, dass die meisten Italiener so pragmatisch sind!