Gestern waren wir bei Bruno Amurri, heute bei Tiziano Aleandri, um buchstäblich „Hand anzulegen“ bei der Olivenernte. Beide Bio-Bauern stellen die absolute Ausnahme in den südlichen Marken dar: Ihre Oliven sind gesund, ihr Olivenöl sehr gut, wenn auch vom Ertrag etwas geringer. In Zahlen: Werden normalerweise ca. 15 Prozent Olivenöl erlöst (Extraktionsrate), d. h. 100 kg Oliven ergeben 15 Liter Olivenöl, sind es in diesem Jahr 8 bis höchstens 11 Prozent. Die Folge dieser schlechtesten Ernte aller erinnerten Zeiten: die Preise werden steigen! Es zeichnet sich nämlich ab, dass ganz Italien ein Olivenöl-Problem hat: Auch aus Kampanien und Apulien kommen die Nachrichten einer miserablen Ernte aufgrund der Klimaerwärmung (zu warmer Winter, zu feuchter Sommer) und damit der exorbitanten Olivenfliegen-Ausbreitung.
„Wir haben es dieses Jahr mit der vierten Generation der Olivenfliege zu tun.“, erklärte mir Tiziano heute. Normalerweise sterben die Larven, die in den zu Boden gefallenen Oliven sind, sobald der Boden ca. 3 cm tief einfriert. Dies war letzten Winter nicht der Fall. Hoffen wir also auf strengen Frost – wenigstens einige Tage und Nächte lang!
Eindrucksvoll war die Geruchsprobe, die Tiziano uns heute machen ließ: Ein altes, befreundetes Bauernpaar aus der Nachbarschaft hatte ihn gebeten, ihre Bäume zu ernten und aus ihnen Öl zu pressen. Normalerweise hätte er diese durchweg befallenen Oliven nie geerntet, geschweige denn in seine Ölmühle gelassen. Aber was tut man nicht alles wg. guter Nachbarschaft! Das Ergebnis: ein fürchterlich riechendes Olivenöl, das nicht mehr essbar ist. Aber auch aus wirtschaftlicher Not werden die Bauern es wohl zumindest zum Braten nehmen. „Non commestibile“, nicht genießbar, sagte Tiziano dazu mit angewidertem Gesichtsausdruck.
An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zur EU-Klassifizierung von Olivenöl:
A. Olivenöl kaltgepresst (bis 27 Grad), natürlich nur erste Pressung:
1. Natives Olivenöl Extra, auch extra vergine, darf nur 0,8 % freie Fettsäuren enthalten. Unser Olio Piceno liegt meist weit darunter! Enthält alle gesunden Bestandteile wie Polyphenole (entzündungshemmende Stoffe!), Vitamin E etc.
2. Natives Olivenöl, nennt sich auch „feines Olivenöl“ (irreführend!). Der Anteil der freien Fettsäuren darf 2 % nicht überschreiten, leichte Fehler werden toleriert.
3. Gewöhnliches Natives Olivenöl. Freier Säuregehalt von 3,3 %; in der sensorischen Prüfung wurden Fehler festgestellt. Eigentlich ungenießbar.
4. Lampantöl. Nicht für den Verzehr geeignet! Fettsäuregehalt über 3,3 %.
B. Industriell verändertes Olivenöl, evtl. sogar aus zweiter Pressung
5. Raffiniertes Olivenöl. Durch das Raffinieren wird versucht, unerwünschte Schadstoffe aus dem Öl zu entfernen. Geschmack und Vitamine werden ebenfalls eliminiert. Neutral in Geschmack und Aroma. Gesundheitswert: null!
6. Olivenöl, auch „reines Olivenöl“ genannt. Ganz perfide: eine Mischung aus raffiniertem und nativem Olivenöl. Der Säuregehalt der freien Fettsäuren darf 1 % nicht überschreiten, aber das Mischungsverhältnis ist nicht vorgeschrieben. Meistens: 98 % raffiniertes Öl, 2 % natives!
7. Rohes Oliventresteröl. Aus den Rückständen (Trester) wird nach der Pressung mit Lösungsmitteln oder einer zweiten Pressung der letzte Rest Öl gewonnen. Maschinenöl!
8. Raffiniertes Oliventresteröl. Nr. 7 wird nochmals raffiniert, um den Säuregehalt auf 0,3 % zu drücken. Verzehrbar, aber völlig geschmacklos.
9. Oliventresteröl. Wie bei Nr. 6: Mischung aus raffiniertem und rohem Tresteröl, das einen Säuregehalt von maximal 0,1 % haben darf.
Über allem steht: Bio-Olivenöl von nie, wirklich nie chemisch gespritzten Oliven (das tötet auch die Biodiversität des Bodens, die Artenvielfalt der Kleinorganismen), schonend handgeerntet, am selben Tag in die Ölmühle gebracht, in einem Zwei-Phasen-Dekanter-System gepresst. Man riecht es (fruchtige Noten), man schmeckt es (Bitterkeit und Schärfe, Aromen).
Die beste Gelegenheit zur Verkostung von vier verschiedenen Bio-Olivenölen extra vergine (und mehr) für alle, die in der Nähe von München wohnen: Unser Olivenöl-Fest am 9. November von 12 bis 17 Uhr auf Schloss Aufhausen bei Erding, S-Bahnstation Aufhausen.